Hallo Jan,
vielleicht hilft es bei dem Einkreisen der Möglichkeiten:
www.kastenwagenforum.de/forum/threads/fi...d-praevention.36687/
FIAT Comfortmatic - Fehler mit Potential zur Katastrophe und Prävention
Teil 1:
27.04.2018, ca. 15:00 Uhr, äußerst linke Spur auf 3 spuriger Autobahn mit maximaler Verkehrsdichte Richtung Nürnberg, ca. 130...140km/h, Überholvorgang im Automatikmodus im 5. Gang bergauf unter Vollast.
Comfortmatic schaltet ohne Vorwarnung und ohne irgendwelche Auffälligkeiten spontan in den Leerlauf begleitet von einem Alarm-Gong. Vollständiger Traktionsverlust, außer Lenken und Bremsen und Ausrollen keine weitere Option.
Mit Warnblinkanalge gelang es (mit viel Glück) langsamerwerdend und begleitet von Hupkonzerten und Alarmgongen die rechte Spur zu erreichen. Mit noch mehr Glück fand sich direkt anschließend auch noch eine Ausfahrt zur Tank-/Rastanlage in der ich auch noch eine längsliegende Parklücke erreichen konnte.
Die Reaktionen meiner Frau lasse ich nun mal weg.
Nach einer Sicht-Kontrolle des Systems keinerlei Auffälligkeiten, auch kein Überhitzungsgeruch usw.
Neustart des Motors mit Einlegen des 1. Gangs im Auto- wie im Man.-Modus erscheint problemlos.
Wir fahren nach einer Beruhigungspause langsam stets auf der rechten Spur und im manuellen Modus weiter ohne Probleme.
Wieder zuhause nehme ich mir diesen italienischen Magnetti-Marelli-Fiat-Alptraum zur Brust.
Kausalkette und Diagnose:
1. Fehlerspeicher-Abfrage ohne Fehlereinträge
2. www-Recherche liefert in 2 von 8 ähnlichen Fällen Maßnahmen am Kabelbaum ohne genaue Beschreibung.
Tatsächlich ist der Verlegung des Kabelstranges im Bereich des Getriebesteuergerätes (und Motorsteuergerät) als Murks zu bezeichnen. Im Bereich des Längsträgers (hinter dem linken Scheinwerfer) fehlt der Scheuerschutz. Ein Durchscheuern auf Masse liegt nahe.
Maßnahme Scheuerschutz nachgerüstet an 3 Segmenten zwischen den Halterungen des Kabelbaumes.
Kabelbaum jedoch (noch) nicht durchgescheuert.
3. Kontrolle des Relais für die Hydraulikpumpe:
Relais Funktion i.O., jedoch extrem (zu) hohe Kontaktkräfte im Relaissockel:
Konsequenz: Im Kunststoff-Relaissockel ist eine Rastkupplung eines Steckerpins ausgebrochen, so dass dieser Pin während der Montage nach unten abgerutscht sein muß. Die Sichtprüfung der Kontaktspur auf der Zunge des Relaiskontaktes zeigt eindeutig eine Kontaktüberlappung von max. 0,2...0,3mm statt ca. 10mm.
Erstaunlicherweise hat dieser Zustand 51Tkm gehalten.
Könnte wetten, dass die extrem zu hohen Kontaktkräfte des Pumprelais auch etlichen anderen hier und sonstwo zum gleichen Problem führen könnten. Daher meine Epfehlung zur Kontrolle an alle Comfortmatic-Fahrer !
Eigentlich hätte das Thema damit bendet sein können, aber nun ging es erst richtig los !
4. Eine weitere intensive Kontrolle der gesamten Getriebesteuerung liefert mir erschreckende Erkenntnisse:
Druckspeicher ist defekt, da die Hydraulikpumpe extrem häufig (alle 2 Schaltvorgänge) extrem kurz (ca. 2 Sek.) anläuft. -->Bruch der Speicher-Membran.
Dadurch wird die elektrische Pumpe bis hin zum Dauerlauf in den Misuse getrieben und verbrennt oder fällt vorzeitig wegen verschlissener Schleifkohlen aus. Parallel wird nur ein kleines und immer das gleiche Ölvolumen verdichtet und expandiert, so das ein Abtransport der hydraulischen Verlustleistung in weitere Bereiche zur Abkühlung unterbleibt. Das Hydrauliköl wird immer weiter aufgeheizt.
Nachforschungen indizieren, dass die Temperatur des Hydrauliköles per Modell überwacht wird. Knapp über 130°C erfolgt eine Sicherheitsmaßnahme in Form eines Notlaufes per Leerlauf um das System zu schützen. Darüberhinaus wird ein Zähler im Speicher für jedes Starten des Notllauf-Programms bzw. jedes Übertemperaturabschalten hochgezählt und läßt sich im Nachhinein auslesen (z.B. MultiECUScan).
Nun meine Kritikpunkt an die Kollegen in Italien: Temperaturen können physikalisch limitiert niemals springen. Es bleiben etliche Sekunden bis die Temperatur den kritischen Wert von 130°C erreicht. Eine Vorwarnung des Fahrers (ohne Notlauf) einige 10°C unterhalb dieser Schwelle kostet wenige Zeilen Software Code, also praktisch nichts. Das ist doch nun wirklich keine rocket science, auch nicht in Italien !
Der Gewinn an Sicherheit für alle wäre erheblich.
Ja, die Automobilwissenschaftler haben festgelegt, dass das angeblich nicht sicherheitsrelevant ist und auf der gültigen ASIL-Norm (automotive safety integrity level) nur mit der niedrigsten Einstufung (QM) gehandhabt wird. Aber Stand der Technik ist eben mehr.
Fortsetzung Teil 2
Teil 2:
Präventionsmaßnahmen für jeden Comfortmaticfahrer:
1. regelmäßiger Wechsel des Hydraulik-Öls, Intervall gem Fiat 45...50TKm / 2 Jahre, Spezifiaktion allerdings abweichend:
kein ATF Öl verwenden, da diese Öl für diesen Fall suboptimale Additive beinhaltet.
Empfehlung vom Selespeed-Spezialisten H. Bellmann: Zentralhydrauliköl Liqui Moly LM 1124.
Aus meiner Sicht käme auch das Castrol
CHF Vollsynthetische Spezial-Hydraulikflüssigkeit in Frage, welches eine noch höhere Verträglichkeit ggü. der Elastomermembrane des Druckspeichers aufzuweisen scheint (allerdings ohne Angabe zur Mischbarkeit mit ATF (Restöl).
2. Regelmäßiger Wechsel des Druckspeichers, spätestens nach 9 Jahren, bei Saisonnutzung spätestens nach 7 Jahren (mein Fahzeug ist gerade 7 J.)
Nach Aussage vom Spezialisten halten diese Pumpspeicher max. 10 Jahre.
Beim Abschrauben des alten Druckspeichers besteht eine sehr große Unfallgefahr, wenn das System nicht komplett druckfrei gemacht und gehalten wird (> 50 bar Arbeitsdruck).
Der Druckspeicher kann euch die Hand oder Finger abreißen oder umherspritzendes Öl das Augenlicht kosten. Daher zusätzlich auch Schutzbrille und Schutzhandschuhe verwenden.
Es dauert min. 2 komplette Tage nach Deaktivierung der Hydraulikpumpe bis der Druck abgebaut ist (Abklemmen der Batterie zwingend und mindestens 2 Sommer- bis 4 Winter-Tage warten oder per Tester (z.B. MultiuseScan Druckabbauen) !!!)
3. Einmalige Kontrolle des Pumprelais bzw. Relaissockel.
4. regelmäßiger Wechsel der Bremsflüssigkeit im Ausgleichsbehälter der Kupplungshydraulik
Spezifikation gem. Fiat (meine Empfehlung wäre hier eher ein jährlicher Wechsel, da regelmäßig eine sehr hohe Wasseraufnahme festzustellen ist. (ca. 3mal so hohe Wasseraufnahme wie im Bremskreis))
Achtung: Das ist der kleinere (zylindrische) von beiden Hydraulikbehältern der Getriebesteuerung
Ölwechsel geht ganz einfach:
30A Sicherung des Pumprelais der Hydraulikpumpe ziehen (Prüfung/Hören, dass bei Öffnung der Fahrertüre (nicht der Beifahrertüre) keine Pumpe anläuft)
2 Tage warten, bis der Pumpseicher entleert ist (im Winter verdoppeln) oder mittels MultiECUScan Druck abbauen
Nun Hydraulikbehälter-Inhalt (Achtung der größere von beiden Behältern der Getriebesteuerung) mittels Spritzflasche komplett absaugen und anschließend wiederbefüllen mit o.g. Hydrauliköl.
Füllstand zunächst über MAX, danach nach Wiedereinsetzen der 30A Sicherung, Zündung ein und 2 bis 3 Schaltvorgänge ausführen. Nun muß der Füllstand möglichst dicht unterhalb der Max-Markierung stehen.
Winterstilllegung:
Nicht die Batterie abklemmen oder eine Hauptsicherung ziehen, da das System immer einen leichten Basisdruck hält um die Membran des Druckspeichers vor Standschäden zu schützen.
Wenn ihr einen neuen Druckspeicher kaufen wollt, daran denken, dass die Lagerzeit den größten Stressfaktor darstellt. Viele aus dem www sind zwar ungebraucht aber aufgrund unkontrollierbar langer Lagerzeiten unbrauchbar.
Teil 3
Reparatur:
Vorsichtshalber steht zusätzlich der Austausch des Pumpenmotors an. Die Zugangsverhältnisse sind extrem schlecht und nur von unten. Manche bauen die Hydraulik Power Control Unit (3 Torx Schrauben) komplett ab. Dazu müssen aber alle Zuleitungen (Niederdruck, Hochdruch und alle Steckverbindungen + x) gelöst werden. Alternativ löst man 2 Innen-Torx-Schrauben des Pumpenmotors und montiert den neunen Motor komplett verdeckt / blind. Mit Hebebühne sehr und ohne extrem mühsam.
Die Werktstätten sind übrigens mit der Comfortmatic hoffnungslos überfordert. Eine www Recherche zeigt unglaubliche Horrorstories (z.B. mehrfaches Durchgehen des Fahrzeuges ohne Fahrer nach Reparatur, exterm schlechte Kupplungscharakteristik bis hin zur Unfahrbarkeit usw.).
Im allerbesten Fall (unwahrscheinlich) tauscht man dort die komplette Hydraulikeinheit und oder Steuergerät für viele Tausender. Wird die defekte Pumpe getauscht ohne den primär defekten, aber nicht als defekt erkannten Druckspeicher mitzutauschen, läuft die neue Pumpe nur ganz kurze Zeit bis zum erneuten Ausfall.
Ich mache das also lieber selbst und warte gerade auf meine Ersatzteile vom Spezialisten und werde weiter berichten.